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Nachhilfe? Nachhilfe!

Ist Nachhilfe im Rebisto sinnvoll?

 

Karin Viscardi erzählt, wie sie das sieht.

Es ist Dienstag, 13.15 Uhr. Die Tür geht auf, „Hallo Frau Viscardi“. „Hallo Max, ist alles gut bei dir“? Max kommt zu mir ins Büro, erst jetzt haben wir Augenkontakt. „Ja, alles gut, ausser, ich habe heute einen Brief bekommen, dass ich nach den Sommerferien in eine andere Schule im Nachbardorf muss. Ich will das nicht, ich möchte in Gelterkinden bleiben“. Ich beruhige ihn und erkläre ihm, dass das auch eine Chance sein kann. Viele Kinder kommen aus anderen Gemeinden nach Gelterkinden in die Schule. Ich konnte Max beruhigen.

Nun war es an der Zeit, dass sich Max an die Hausaufgaben macht. Max kommt zweimal pro Woche in die Aufgabenhilfe, da seine Eltern berufstätig sind. Es ist für sie eine grosse Entlastung, dass Max im Rebisto die Hausaufgaben erledigen kann. Dann haben sie zuhause keinen Stress und es dreht sich am Abend nicht immer alles nur um die Noten und die Hausaufgaben.

Es ist jetzt 14.00 Uhr. Das Telefon klingelt. Frau Handschin erkundigt sich wegen Französisch- und Mathematik-Nachhilfe für ihre Tochter, Lena. Lena musste aus gesundheitlichen Gründen aus dem Spitzensport austreten und besucht nun die 1. Gymklasse. Sie habe einige Lücken in diesen Fächern. Ich mache mich sofort daran, mit den entsprechenden Lehrkräften vom Rebisto Kontakt aufzunehmen. In den nächsten zwei Stunden kann ich Frau Handschin und Lena bereits einen Vorschlag unterbreiten.

Es ist nun 16.00 Uhr. In den Schulzimmern herrscht reges Durcheinander. Ich verlasse meinen Schreibtisch und gehe ins Aufgabenzimmer. Vier Kinder sitzen mittlerweile an den Tischen und machen ihre Hausaufgaben. Es ist nicht einfach, sie im Zaum zu halten. Frau Ziegler, die Hausaufgabenbetreuerin hat alle Hände voll zu tun. Sie hilft, wo Hilfe benötigt wird. Wenn Peter kommt ist der Lärmpegel immer ein bisschen höher. Da müssen wir ab und zu mal die Kinder auf zwei Zimmer verteilen. Damit sich die Kinder in Ruhe auf eine Prüfung vorbereiten können, braucht es hohe Konzentration. Plötzlich sind alle Kinder entspannt bei der Arbeit.

Im Zimmer nebenan büffelt Tim mit Frau Tanner Bruchrechnen. Tim hatte viele Lehrerwechsel in der Schule und hat nun Mühe, den Anschluss zu finden. Es hilft ihm, wenn ihm jemand anders nochmals den Mathestoff erklärt. Wenn er mit seinen Eltern lernen soll, gibt es immer Streit. Deshalb kommt er ins Rebisto.

Es ist nun 17.00 Uhr. Daniela ist eingetroffen. Sie hat morgen eine Prüfung im Rechnungswesen. Sie ist im 3. KV-Lehrjahr und bald geht es um die Lehrabschlussprüfung. Sie ist sehr motiviert und tut alles dafür, dass sie einen guten Abschluss schafft.

Um 17.30 habe ich mit Seraina abgemacht. Sie braucht Hilfe bei einer Vertiefungsarbeit zum Thema „Ausländer in der Schweiz“. Seraina ist selber Ausländerin und macht eine Lehre als  Fachfrau Gesundheit FAGE. Ich merke, dass sie Probleme mit dem Deutsch hat. Einen deutschen Artikel mit eigenen Worten zusammenzufassen ist für die junge Frau eine grosse Herausforderung. Nach 90 Min. beschliessen wir, Feierabend zu machen. Seraina hat den ganzen Tag im Krankenhaus gearbeitet und kommt nach der Arbeit von Basel nach Gelterkinden um diese Arbeit zu schreiben. Sie ist sehr gefordert. Auch sie ist ehrgeizig und möchte unbedingt diese Ausbildung gut abschliessen. Sie macht sich müde auf den Weg zum Bahnhof.

Ich fahre meinen PC herunter und verlasse mein Büro. Was für ein Tag. Auf dem Nachhauseweg, kann ich noch nicht ganz abschalten. Immer wieder muss ich darüber nachdenken, wie wichtig es ist, dass die Kinder und Jugendlichen gute Deutschkenntnisse haben um eine gute Ausbildung abschliessen zu können. Aber jetzt ist Feierabend. Im Rebisto treffen sich jetzt noch die Erwachsenen in den Sprachkursen. Da wird so oft gelacht und es herrscht eine freudige Stimmung. Leider sehe ich sie nicht jede Woche. Es gibt Kunden, die kommen seit 10 Jahren ins Englisch. Das macht mich schon ein bisschen stolz.

Morgen Mittwoch sind alle Schulzimmer den ganzen Nachmittag besetzt. Es macht unglaublich Spass, die Kinder und Jugendlichen zu unterstützen. Oft kommen sie müde und auch entmutigt bei uns an. Wenn sie nach einer Stunde nachhause gehen, haben wir es geschafft, sie bei einem kurzen persönlichen Gespräch so zu motivieren, dass sie mit einem Lächeln und gestärkt das Rebisto verlassen.

Wenn die Sekschüler in einer Woche vier Prüfungen haben, dann braucht es sehr viel Motivation und strukturiertes Vorgehen. Die Primarschüler haben auch oft viele Hausaufgaben. Wir meinen, zwei Stunden Hausaufgaben reichen. Aber oft sind es die Kinder, die nicht ohne erledigte Hausaufgaben in die Schule möchten. Sie möchten nicht als „Versager“ dastehen.

Wir betreuen Kinder ab der 2. Primarklasse bis ins Gym und während der Berufslehre. Wenn das Kind nicht bereit ist mitzuarbeiten, brechen wir die ganze Sache ab, denn so besteht keine Aussicht auf einen Lernerfolg. Das muss ich den Eltern beim Eingangsgespräch immer wieder klar machen. Wir haben auch ganz wenige Kinder oder Jugendliche, die wir über längere Zeit betreuen. Da würden wir ja unseren Job nicht richtig machen. 

Uns ist klar, dass sich nicht alle Familien Nachhilfe leisten können. Deshalb versuchen wir für alle eine Lösung zu finden. Wenn für uns der Profit im Vordergrund stehen würde, hätte ich das Rebisto nach drei Jahren schliessen können. Hier geht es um jeden Einzelnen. Die Kinder und Jugendlichen sehen im Rebisto einen Ort, wo man ungestört lernen kann und wenn sie das Rebsto wieder verlassen, haben sie etwas dazugelernt und fühlen sich besser.

Wir machen nicht die Erfahrung, so wie das offensichtlich in anderen Städten der Fall ist, dass sich bei uns alle auf das Gymnasium vorbereiten möchten. Wir helfen dort, wo es Sinn macht. Wir wissen, dass Nachhilfe oft nicht die Lösung für ein Problem ist und woanders angesetzt werden muss. Auch kommt beim ersten persönlichen Gespräch am Telefon bald heraus, ob Nachhilfe oder ein anderes Angebot in diesem Fall in Frage kommt. Jedes Erstgespräch am Telefon oder auch direkt im Rebisto braucht Zeit, damit eine passende Lösung gefunden werden kann. Hinter jeder Anfrage steht eine persönliche Geschichte. Dafür nehme ich mir gerne genügend Zeit.

Unterstützung anzunehmen in Form von Nachhilfe ist keine Schande. Das kann jedem einmal passieren, dass er einen Durchhänger hat. Die Aussage, dass, jemand, der Nachhilfe bezieht, sich im falschen Niveau befindet, finde ich eine völlig übertriebene und falsche Aussage. Ich kenne kaum jemanden, der in seinem Leben nicht mindestens einmal in die Lage gekommen ist, Unterstützung in Form von Nachhilfe zu benötigen.

Wir durften in den letzten 13 Jahren hunderte von Schülerinnen und Schüler erfolgreich auf ihrem Weg ins Berufsleben begleiten. Deshalb werden wir weitermachen!

 

  

Karin Viscardi

28. April 2016